„Menschen sind meine Erholungsoasen.“
Bürger, Europäer, Pianist – so bezeichnet Igor Levit sich auf seiner eigenen Website. Weltstar, Aktivist und Herzenshannoveraner – so könnte man ergänzen. Von Auftritten in der ganzen Welt kehrt er immer wieder gern an die Leine zurück, mal in seiner Funktion als Klavierprofessor an der hiesigen Musikhochschule, mal als Solist. Bei PRO MUSICA in dieser Saison gleich zweimal: Als ehemaliger Stipendiat von Live Music Now spielt er gemeinsam mit aktuellen Stipendiatinnen Beethovens Tripelkonzert im NDR Konzerthaus und gastiert im Februar 2025 zum ersten Mal mit einem Klavierabend im Kuppelsaal.
NDR Radiophilharmonie | Igor Levit | Cornelius Meister
Vergangene Veranstaltung
Werke von Bach, Brahms und Beethoven
Hallo Igor, schön dich zu hören. Provokante Frage zum Einstieg: Du hast schon alle 32 Beethoven-Sonaten gespielt. Reicht das nicht? Nun auch noch seine Sinfonien?
Ich spiele ja nicht gleich alle ... Ich fange jetzt langsam an, sie zu erkunden. Die Sinfonie Nr. 3 habe ich schon gespielt, Nr. 7 kommt jetzt ... Warum sollte es mir reichen? Ich habe noch viele Jahre vor mir, hoffe ich. Und gleichzeitig habe ich auch anderes Repertoire zu studieren. Aber nein: Das reicht natürlich nie!
Beethoven ist nie genug?
Das ist alles nur meine Meinung …
Liszt hat die Beethoven-Sinfonien ja eigentlich transkribiert, um sie den Leuten zugänglich zu machen, als es noch keine Aufnahmemöglichkeiten gab. Was macht heute den Reiz aus, so ein Orchesterwerk auf dem Klavier zu spielen?
Da gibt es sehr viel: Also erstens, Liszt hat sich da schon was bei gedacht. Diese Transkriptionen sind ja keine Studientranskriptionen, wie es sie häufig von sinfonischem Repertoire gibt – z. B. Bearbeitungen für Klavier zu vier Händen, damit man sich die Partitur einfach mal angucken konnte. Sondern das sind voll ausgewachsene konzertante Werke, die wirklich an der Spielbarkeitsgrenze liegen. Es sind Werke, geschrieben für die große Bühne von wahrscheinlich dem bedeutendsten Pianisten überhaupt. Es ist auch das Großformatige, das Orchestrale. Es ist die Art, wie Liszt das Orchester auf das Klavier übersetzt. Aber natürlich verändern sich die Werke. Ich habe nicht vor, das Orchester zu kopieren; kann ich gar nicht. Ein Orchester kann gewisse Dinge viel, viel schneller machen als ich. Andere Dinge kann ich in den Tempi anders gestalten. Es wird zu einem genuinen Klavierwerk. Und trotzdem haben wir die Sinfonie im Ohr. Also ist es beides. Und es ist eine ganz andere Sache als die Sonaten. Weil man merkt: Hier sind Werke, die nicht für das Klavier geschrieben sind. Und dann kam der größte Pianist aller Zeiten und hat sie für das Klavier geschrieben. Das ist enorm spannend und inspirierend. Eine wirklich große Freude.
Aber wahrscheinlich auch wahnsinnig anspruchsvoll, oder?
Die sind virtuos wie verrückt. Aber nie sinnlos, sondern immer sinnhaft. Es hat immer Bedeutung, wie Liszt diese enormen Schwierigkeiten auf das Klavier überträgt, hat immer den Zweck des musikalischen Inhalts.
Du kombinierst die siebte Sinfonie mit der Schumann-Fantasie. Warum so und nicht anders?
Ich bin bei diesem Programm sehr emotional, sehr aus dem Bauch heraus rangegangen. Es ist ja auch die Chromatische Fantasie und Fuge von Johann Sebastian Bach dabei, die sehr gut koexistiert. Aber es hat sich vor allem gut angefühlt, die Verrücktheit, die Überemotionalität der Schumann-Fantasie, die dann Innigkeit findet, neben die Siebte von Beethoven zu stellen, die in der Überemotionalität den Triumph findet.
Danke, dass du dir bei deinem Wahnsinnspensum so viel Zeit nimmst, uns das zu erläutern. Du bist neben deinen Konzerten sozial so engagiert – wann machst du mal Pause und wie erholst du dich?
Ich erhole mich mit Menschen, mit Freunden. Menschen sind meine Erholungsoasen. Wenn man miteinander essen geht oder ich jemanden besuche. Aber natürlich werde auch ich irgendwann an einen Punkt kommen, wo ich sage: Jetzt geht es nicht mehr, jetzt muss ich mal raus. An dem Punkt bin ich noch nicht.
Das heißt Urlaub gibt es bei dir gar nicht?
Im klassischen Sinne nicht, aber ich spüre den Tag kommen …
Wie fühlt es sich eigentlich an, so berühmt zu sein? Wie schafft man es, nicht die Bodenhaftung zu verlieren?
Auch dabei helfen Menschen sehr! Ich neige auch nicht dazu, die Bodenhaftung zu verlieren, und habe Menschen um mich herum, die mich erden. Also, ich bin guter Dinge und sehe mich da nicht in Gefahr.
Wir machen uns da auch gar keine Sorgen und freuen uns auf dich im Oktober und im Februar!